“Eine der nachhaltigsten Arten des Lernens ist das Lernen durch Erfahrung.”
Duale berufliche Ausbildungsgänge gelten seit Jahren als vielversprechende Ansätze zur Überwindung der ökonomischen Krise in Südeuropa und zur Unterstützung der wirtschaftlichen Aufholprozesse in den post-sozialistischen Ländern Osteuropas; entsprechend hoch auf der Tagesordnung europäischer und nationaler Initiativen stehen sie (vgl. EU 2018). So starte eine kaum überschaubare Anzahl an Projekten, die das Lernen im Prozess der Arbeit (work-based learning, WBL) in „allen seinen Spielarten“ fördern; einen Überblick liefert die Internet-Seite WBL-toolkit (2018).
Wenn man diese Projekte jedoch etwas genauer analysiert, muss konstatiert werden, dass die meisten mit dem dualen System, wie wir es aus Deutschland kennen, eher wenig gemein haben: Es handelt sich um Kurzzeit-Praktika, Simulationen oder Lernprojekte – und viele entpuppen sich als wenig nachhaltig: Nach Ende der Projektförderung werden die Ansätze eingestellt. Um unser Vorgehen von Praktika oder Lernprojekten zu unterscheiden, bezeichnen wir es als curricular-gesteuertes Lernen im Prozess der Arbeit. In dem ERASMUS+ Projekt “Integrating Companies in a Sustainable Apprenticeship System” (ICSAS) arbeiten wir (neben anderem) an der Frage, wie ein erfolgreicher einjähriger curricular gesteuerter Pilotversuch des Lernens im Prozess der Arbeit in die schulbasierten Ordnungsmittel von Portugal (PT) und Rumänien (RO) integriert werden kann.
Ein weiterer Ansatz zur besseren Verknüpfung von Beruflichen Bildung und den Arbeitsmärkten sind Qualifikationsrahmen (QR, vgl. EU 2008 und EU 2017). Zur Erhöhung der Transparenz und zur Vergleichbarkeit von Qualifikationen wurden in dem letzten Jahrzehnt in den meisten europäischen Ländern Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) eingeführt und über den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) verknüpft. In den letzten Jahren häufen sich jedoch Veröffentlichungen, die den angestrebten Nutzen bezweifeln, so befand z. B. Bohlinger (2019), dass Qualifikationsrahmen „ein paradigmatischer Fall vagabundierender Reformen im Bildungswesen“ (a paradigmatic case of travelling educational reforms) seien. Auf der anderen Seite wurden jedoch auch vielversprechende Ansätze zu Sektor-Qualifikationsrahmen (SQR) publiziert (vgl. z. B. SIQAF 2018).
Vor diesem Hintergrund haben wir drei Schlussfolgerungen für unser Projekt gezogen:
- „Nachhaltigkeit“ als ein Kernelement in unser Projekt zu integrieren – und nicht nur als Floskel.
- Das „Vagabundieren“ der Qualifikationsrahmen zu stoppen indem wir den Rahmen in einem Sektor verankern.
- Und daher, konsequenterweise, nur auf einen Sektor zu fokussieren: Den der industriellen Schuhproduktion.
Wir arbeiten in dem Projekt ICSAS an folgenden Fragen (die Ergebnisse finden sich unter dem entsprechenden Reiter):
- Was könnte in realen Arbeitsprozessen gelernt werden?
- Was sollte (nach den nationalen Curricula) in realen Arbeitsprozessen gelernt werden?
- Welche Faktoren stützen oder verhindern die Integration dualer Ansätze in nationale Ordnungsmittel?
- Bieten Sektor-Qualifikationsrahmen einen Mehrwert (exemplarisch)?
Wir haben keine „objektiven“ oder „harten“ Faktoren, die duale Ansätze in Ländern mit traditionell schulbasierter Berufsbildung verhindern würden, gefunden – jedoch eine Reihe „subjektiver“ oder „schwacher“: So herrscht beispielsweise häufig eine gewisse Skepsis, ob Lernergebnisse aus dem Prozess der Arbeit gleichwertig mit denen aus Schulunterricht sind, die Sorge, dass Auszubildende als billige Arbeitskräfte missbraucht werden und eine Unsicherheit über die Verantwortlichkeiten beim Lernen im Arbeitsprozess. Trotz dieser Skepsis ist es uns gelungen, eine an das deutsche duale System angelehnte einjährige Pilotphase in Rumänien und Portugal zu entwickeln, durchzuführen und zu analysieren.
Zusätzlich haben wir einen Sektor-Qualifikationsrahmen (Niveau 2-4) für die industrielle Schuhfertigung entwickelt und die Qualifikationen dieser Niveaus aus DE, PT, RO und ES eingeordnet. Wir hoffen, dass dieser das Potential hat, qualifizierte Menschen, die eine dieser Qualifikationen besitzen, bei der Arbeitsplatzsuche in einem anderen europäischen Land zu unterstützen.
Abschließend haben wir ein Transfer-Handbuch, das die Anwendung unseres Ansatzes in anderen Ländern oder Sektoren erleichtern sollte, erarbeitet.